Viele Architektur- und Planungsbüros im Hochbau stehen vor einem paradoxen Problem: Die Auftragslage könnte kaum besser sein, doch es fehlt an Personal, um die Projekte umzusetzen. Deutschland steht vor großen baupolitischen Aufgaben – sei es die Beseitigung des Sanierungsstaus in der Infrastruktur, das Erreichen der Wohnungsbauziele oder die planerische Unterstützung der Energiewende. All diese Vorhaben benötigen eine erhebliche Kapazität an Architektinnen, Architekten und Ingenieur*innen. Entsprechend hoch ist der Bedarf an Planungsleistungen und Fachwissen. Theoretisch könnten viele Büros ihre Auftragsbücher füllen, praktisch jedoch stoßen sie an die Grenzen des leistbaren Pensums. Volle Auftragsbücher helfen wenig, wenn nicht genug Personal da ist, um die Arbeit zu schultern.
Die Kluft zwischen Nachfrage und verfügbarem Personal lässt sich in Zahlen fassen. Eine aktuelle Analyse zeigt, dass im Bereich Ingenieurwesen – wozu auch Bauplanung und Architektur zählen – inzwischen 456 offene Stellen auf 100 Arbeitssuchende kommen. Anders gesagt: Auf jede fachkundige Person, die einen Job sucht, warten viereinhalb unbesetzte Stellen. Diese Schere verdeutlicht, warum Stellenausschreibungen oft monatelang unbesetzt bleiben. Qualifizierte Bewerber*innen sind rar und hart umkämpft.
Besonders bitter macht die Situation die Tatsache, dass gerade die Planungsbüros selbst mit den meisten unbesetzten Stellen zu kämpfen haben. Aktuell sind allein in Architektur- und Ingenieurbüros rund 11.324 Stellen vakant, wie aus Meldungen an die Bundesagentur für Arbeit hervorgeht. Da viele offene Posten gar nicht mehr gemeldet werden, könnte die wahre Zahl sogar noch höher liegen. Jede unbesetzte Stelle bedeutet für ein Büro weniger Umsetzungskapazität und mehr Arbeitslast für das vorhandene Team.
Für viele Planungsunternehmen wird der Fachkräftemangel zur Wachstumsbremse Nummer eins. Laut einer Branchenumfrage der VBI geben 45 % der Planungsbüros an, dass der Ingenieurmangel ihr weiteres Wachstum behindert. Projekte müssten zwar realisiert werden, doch ohne ausreichend Personal können die Büros sie nicht annehmen oder zumindest nicht zeitgerecht abwickeln. Der Markt ist also vorhanden, aber die Ressourcen fehlen. Das Resultat: Engpässe bei der Projektbearbeitung, Überlastung der vorhandenen Mitarbeiter*innen und eine allgemeine Verlangsamung in der Umsetzung wichtiger Bauvorhaben. Bauherren haben es zunehmend schwer, überhaupt ein Planungsbüro zu finden, das kurzfristig Kapazitäten frei hat. Die knappe Ressource "erfahrene Planer" entwickelt sich zum Flaschenhals in der gesamten Wertschöpfungskette Bau.
Die Branche steckt in einem Dilemma, für das es kurzfristig keine einfache Lösung gibt. Planungsbüros müssen zusehen, wie Chancen ungenutzt bleiben, während der Kampf um die wenigen verfügbaren Fachleute immer intensiver wird.
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